Donnerstag, 19. August 2010
daniel kehlmann - die vermessung der welt zitate
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gauß kam auf den zufall zu sprechen,
den feind allen wissens,den er immer habe besiegen wollen.
aus der nähe betrachtet,sehe man hinter
jedem ereignis die unendliche feinheit
des kausalgewebes.trete man weit genug zurück,
offenbarten sich die grossen muster,freiheit
und zufall seien eine frage der mittleren entfernung,
eine sache des abstands. ob er verstehe ?
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seltsam sei es und ungerecht,sagte gauss, so recht ein
beispiel für erbärmliche zufälligkeit der existenz, dass
man in einer bestimmten zeit geboren und in ihr verhaftet
sei,ob man wollte oder nicht.es verschaffe einem einen
unziemlichen vorteil vor der vergangenheit und mache
einen zum clown der zukunft.
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warum er traurig war ? vielleicht weil er sah
wie seine mutter starb.weil die welt sich so entäuschend
ausnahm,soblad man erkannte wie dünn ihr gewebe war,
wie grob gestrickt die illusion,wie laienahft vernährt
ihre rückseite weil nur geheimnis und vergessen es
erträglich machten.weil man es ohne den schlaf,
der einen täglich aus der wirklichkeit riss,nicht aushielt.
nicht wegsehen können war traurigkeit,
wachsein war traurigkeit,
erkennen armer bartels war verzweiflung.warum bartels ?
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(gauss & bessel schauen den schauspielern im hoftheater zu)
er glaube, flüsterte bartels,goethe sei heute in seiner loge
gauss fragte,ob das der esel sei,der sich anmasse,
newtons theorie des lichts zu korrigieren.
leute drehten sich zu ihnen um,bessel schien in seinem sitz
zu schrumpfen und sagte kein wort mehr,bis der vorhang fiel.
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(gauss:gedanken über mina)
er dachte an ihre hochzeit,an den schrecken
den über ihn gekommen war,als er sie in weiss gesehen
hatte,die grossen zähne zu einem glücklichen lächeln
gebleckt.da hatte er seinen fehler erkannt.
das problem war nicht, dass er sie nicht liebte.
das problem war, dass er sie nicht ausstehen konnte.
dass ihre nähe ihn nervös und unglücklich machte,
dass ihre stimme ihm vorkam, als kratze kreide
auf einer schiefertafel,dass er sich schon einsam
fühlte wenn er ihr gesicht nur von weitem sah,
und allein der gedanke an sie ausreichte,
ihn wünschen zu lassen,er wäre tot.warum er landvermesser
geworden war ? um nicht daheim zu sein.
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man denke,man bestimme sein dasein selbst.man erschaffe
und entdecke,erwerbe güter,finde menschen,die man mehr liebe
als sein leben,zeuge kinder,vielleicht kluge,vielleicht auch
idiotische,sehe den menschen,den man liebe,sterben,
werde alt und dumm,erkranke und gehe unter die erde.
man meine,man habe alles selbst entschieden.
erst die mathematik zeige einem,dass man immer die
breiten pfade genommen habe.
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schon wieder,sagte humboldt.astrale geometrie.er wundere sich,
dass ein mann wie gauss diese seltsame richtung vertrete.
tue er nicht,sagte gauss.er habe früh beschlossen ,
nie darüber zu publizieren.er habe keine lust gehabt sich
dem gespött auszusetzen.zu viele leute hielten ihre
gewohnheiten für grundregeln der welt
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und es sei ein grosser fehler,sich einfach zu entfernen,
wenn so viele leute zusammen kämen,mit denen man projekte
in die welt setzen könne.
projekte,schnaubte gauss.geräde,pläne,intrigen.
palaver mit zehn fürsten und hundert akademien,bis man
irgendwo ein barometer hinstellen dürfe.
das sein nicht wissenschaft.
ach,rief humboldt,was sei wissenschaft denn dann ?
gauss sog an der pfeife.ein mann allein am schreibtisch.
ein blatt papier vor sich,allenfalls noch ein fernrohr,
vor dem fenster der klare himmel.wenn dieser mann
nicht aufgebe bevor er verstehe.das sei vielleicht
wissenschaft.
und wenn dieser mann sich auf reisen mache ?
gauss zuckte die schultern.was sich in der erne verstecke,
in löchern,vulkanen oder bergwerken,
sei zufall und unwichtig.die welt werde so nicht klarer.
dieser mann am schreibtisch,sagte humboldt,brauche
natürlich eine fürsorgliche frau,die ihm die füsse wärme
und essen koche,sowie folgsame kinder die seine instrumente
putzten,und eltern die ihn wie ein kind versorgten.und ein
sicheres haus mit gutem dach gegen den regen.und
eine mütze,damit ihm nie die ohren schmerzten
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herrgott,sagte gauss' stimme neben ihnen.ob er denn
wirklich nicht verstehe ? der kerl wolle bestochen werden.
vogt wurde bleich.gekauft wolle er werden,sagte gauss ruhig.
das elende bürschchen.der kleine dreckfresser.dagegen
verwahre er sich,rief vogt mit schriller stimme.
das müsse er sich nicht anhören! humbold machte gauss
hektische handzeichen.neugierig kamen die leute
aus dem salon: der glatzkopf und die schwarzgekleidete
frau tuschelten,das mädchen im nachthemd sah ihnen über die
schulter.müsse er schon, sagte gauss. wenn man
ein kotkerl sei,ein ehrloser lippenbär,ein gieriger
scheisszwerg,solle man auch die wahrheit vertragen können.
das reiche jetzt,schrie vogt.
aber noch lange nicht,sagte gauss.er werde morgen früh
seine sekundanten schicken! um gottes willen,rief humboldt,
es sei alle ein misverständnis.die werde er rauswerfen,
sagte gauss.schöne tunichtgute müssten das sein,sich
von einem mistkäfer herumschicken zu lassenfusstritte
könnten die sich holen,in den arsch und anderswohin!
mit gepresster stimmefragte vogt,ob das heisse,der herr
verweigere ihm genugtuung.
na sicher.so weit komme es noch,dass er sich von
einem stinkmolch totschiessen lasse!
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(am sterbebett der schwägerin von a.v.h)
ob er sich noch an den abend erinnere,fragte der ältere
schliesslich,als sie die geschichte von aguirre gelesen
hätten und er beschlossen habe,zum orinoko zu ziehen ?
das datum sei für die nachwelt bezeugt!
natürlich erinnere er sich,sagte humboldt.aber er glaube
nicht mehr,dass es die nachwelt interessieren werde,er
zweifle an der bedeutun der flussreise selbst.der kanal
habe keine wohlfahrt für den kontinent gebracht,
er liege verlassen und unter mückenwolken wie je,
bonpland habe recht gehabt.wenigstens sei ihm das leben
ohne langeweile vergangen.ihm habe langeweile nie etwas
ausgemacht,sagte der ältere.nur allein habe er nicht
sein wollen.er sei immer allein gewesen,sagte humboldt
vor der langeweila aber habe er todesangst.
er habe sehr darunter gelitten,sagte der ältere,dass
er nie kanzler geworden sein,hardenberg habe es verhindert,
dabei sei es ihm doch bestimmt gewesen!
niemand,sagte humbold,habe eine bestimmung.
man entschliesse sich nur,eine vorzutäuschen,
bis man es irgendwann selbst glaube.doch so vieles
passe nicht dazu,man müsse sich entsetzliche gewalt antun.
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(brief von alexanders bruder)
man hat uns früh eingeschärft,dass ein leben
publikum benötigt.beide meinten wir,das unsere sei
die ganze welt.nach und nach wurden die kreise kleiner,
und wir mussten begreifen,dass das eigentliche ziel unserer
bemühungen nicht der kosmos,bloss der andere war.deinetwegen
wollte ich minister werden,meinetwegen musstest du auf den
höchsten berg und in die höhlen,für dich habe ich die
beste universität erfunden,für mich hast du südamerika
antdeckt,und nur dummköpfen,die nicht verstehen,was ein
leben in verdopplung bedeutet,würde das wort rivalität
einfallen:weil es dich gab,musste ich lehrer eines staates,
weil ich existierte,hattest du der erforscher eines weltteils
zu werden alles andere wäre nicht angemessen gewesen.und für
angemessenheit hatten wir immer das sicherste gespür.
ich ersuche dich,diesen brief nicht mit dem rest unserer
korrespondenz auf die zukunft kommen zu lassen,auch wenn du,
wie du mir gesagt hast,von der zukunft nichts mehr hältst.
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sie verliessen dorpat in richtung hauptstadt.ein kurier
der krone ritt voran,zwei offiziere hatten sich ihnen
angeschlossen,auch drei professoren sowie ein geologe
der petersburger akademie,ein gewisser wolodin,dessen
anwesenheit humboldt immer wieder vergass,so dass er
jedes mal zusammenzuckte,wenn wolodin mit seiner leisen
und ruhigen stimme etwas einwarf.es war,als widerstünde
etwas an diesem blassen wesen der fixierung im gedächtnis
oder als beherrschte es in besonderer perfektion
die kunst der tarnung.
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